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Archäologie
2015 haben wir mit der großen Archäologie-Vitrine ein zweites Standbein für unser Museum geschaffen. Anlass waren die überraschenden Funde, die ein Sondengeher 2010 im Pircherwald gemacht hat und die in weiterer Folge durch das Bundesdenkmalamt (BDA), die Universität Innsbruck und die bayrische Akademie der Wissenschaften bearbeitet wurden – wissenschaftliche Nachuntersuchung des gesamten Fundareals inklusive.
Nachdem sich die Wogen der heiklen Fundgeschichte einigermaßen gelegt hatten, hat sich Helmut Kirchmair mit dem Chronistenteam um die dauerhafte Ausstellung der Artefakte in Oberhofen (Stichwort Genius Loci) eingesetzt. Schließlich gelang es der Gemeinde, das umfangreiche Fundmaterial zu erwerben und wir haben uns bemüht für eine angemessene Unterbringung zu sorgen. Das Ausstellungskonzept stammt von Prof. Gerhard Tomedi und Graphiker Andreas Blaickner (Uni Innsbruck) sowie Mag. Johannes Pöll (BDA). Gebaut wurde die Vitrine von zwei MeisterInnen ihres Faches: Alexandra und Toni Poyer.
Die bedeutenden Funde vom Pircherwald waren zweifellos ein Paukenschlag, der Oberhofen mit einem Mal auf die Landkarte der Archäologie beförderte. Die ersten prähistorischen Funde waren es jedoch nicht, die erste Fundmeldung stammt aus dem Jahre 1884. Im Folgenden eine kurze Übersicht der Fundchronologie:
Alte Fundberichte:
1884 verzeichnet das Ferdinandeum unter den Neuerwerbungen „Eine Bronze-Nadel mit großem Kopfe, defect. Gefunden angeblich bei Oberhofen (Telfs) 1883“.
1905 verzeichnet das Ferdinandeum weitere hiesige Fundzugänge: „Oberhofen: Einschleifige Bogenfibel und eine Charnierfibel mit dreieckiger Bügelspitze, beide aus Bronze“.
Laut Anton Höck soll auch eine heute verschollene römische Goldmünze aus Oberhofen stammen (siehe Quellennachweis unten).
Funde aus neuerer Zeit:
1977 hat Deo Aglibut in seinem Garten westlich der Pizzafabrik eine Lanzenspitze (jüngere Eisenzeit) gefunden. Da die Erde für den Garten angeliefert wurde, könnte sekundäre Lage vorliegen.
1998 barg Hubert Schreier im Krautfeld eine weitere Lanzenspitze, die sich in der Erdäpfelmaschine verkeilt hat und einige Jahre später in der gleichen Gegend einen antiken Mühlstein, der im Grubber hängengeblieben ist.
1999: Erste archäologische Grabungen im Krautfeld durch das Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum. Freigelegt wurden Siedlungsstrukturen der späten Bronzezeit und Keramikfragmente aus der späten Bronzezeit, der Eisenzeit und der Römerzeit.
2010: Funde im Pircherwald
2016: Archäologische Grabungen im Krautfeld am Gelände des Recyclinghofes
2021: Archäologische Grabungen im Krautfeld am Cibex-Areal
2023: Archäologische Grabungen im Krautfeld am Steffan-Areal
Jetzt besuchen wir die archäologischen Fundorte und stellen das Fundmaterial im Einzelnen vor. Wir beginnen mit den ersten Fundberichten aus dem Ferdinandeum. Dann begeben wir uns in den Pircherwald, wo die spektakulären Bronzestatuetten den Anstoß für die Archäologie im Heimatmuseum gaben. Schließlich verfolgen wir die vier Grabungskampagnen auf dem prähistorischen Siedlungsgebiet im Krautfeld.
1884
Die Bronzenadel mit großem Knopfe ist der erste dokumentierte Fund eines „Altertums“ auf Oberhofer Boden. Diese Schmucknadel kam über den eifrigen Sammler, dem späteren verdienten Vorstand Dr. Franz von Wieser, als Geschenk an das Landesmuseum Ferdinandeum.
1905
Das Ferdinandeum dokumentiert weitere Fundzugänge aus Oberhofen: eine hallstattzeitliche Bogenfibel (sie gilt als verschollen) und eine kräftig profilierte Fibel mit trapezförmigem Fuß aus Bronze (siehe Abbildung) – eine römerzeitliche Fibel des 1./2. Jh. n. Chr.
Quelle: A. Höck/W. Neubauer, Archäologische und geophysik. Untersuchungen auf dem Krautfeld bei Oberhofen. In: Alexander Zanesco (Hrsg.), Hörtenberg 2. Archäologie und Geschichte im Raum Telfs. Nearchos Sonderheft 7, 2002, 34, Abb. 1.
2010: Die Funde im Pircherwald
Raetische und römerzeitliche Artefakte: Die Fundumstände, der Fundort unterhalb der Kapelle Maria Schnee und das breite Fundspektrum im Pircherwald lässt eine absichtliche Niederlegung von Weihegaben vermuten. Auch, dass die beiden Bronzefiguren nebeneinander ca. 25 cm tief in lehmigem Boden lagen, passt in dieses Bild. Beide Statuetten besitzen einen Sporn am Fuß, wurden also ursprünglich zur Schau gestellt. Sie bilden jedoch keine Einheit, eine Ähnlichkeit besteht nur auf dem ersten Blick, sie unterscheiden sich stilistisch und thematisch. Die Herkunft der Statuetten, ob aus heimischen Werkstätten oder importiert, liegt im Dunkeln, zumal auch Materialuntersuchungen keine brauchbaren Ergebnisse lieferten.
© Bildquellen, links: Bronzestatuetten frisch aus dem Boden: Toni Kartnaller (Finder); Mitte und rechts: Heimatmuseum Oberhofen.
1999: Erste Sondierungen im Krautfeld durch das TLMF
Als Hubert Schreier 1998 auf dem gepachteten Acker eine Lanzenspitze fand, war Oberhofen archäologisch noch ein unbeschriebenes Blatt. Es wurde zwar überliefert, dass in alten Zeiten im Krautfeld Häuser standen, etwa wie es eine Szene am Nothelferbild zeigt, wo im Umkreis des Sankt Nikolauskirchleins einige gemauerte Häuser zu sehen sind. Fundierte Berichte gibt es aber nicht.
Der Zufallsfund der Lanzenspitze wurde von Bgm. Helmut Kirchmair an das Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum (TLMF) gemeldet. Dieser Fund war dann der Anlass für die ersten archäologischen Grabungen durch A. Höck (TLMF) und geophysikalischen Untersuchungen durch W. Neubauer (Univ. Wien).
Links: Die Lanzenspitze und der später am selben Areal gefundene Mühlstein
Unten: Die Grabungsfunde aus den Suchschnitten
Es wurden zwei Suchschnitte mit 2m Breite und einer Länge von 45 bzw. 35m Länge gegraben. Erwartet wurden römerzeitlichen Artefakte. Gefunden wurden aber auch wesentlich ältere Besiedelungsspuren, die ältesten aus der späten Bronzezeit: „Überraschenderweise stellten sich die Gruben als Reste einer urnenfelderzeitlichen (ca. 13.-8. Jh. v. Chr.) Siedlung heraus“.
Weiters fanden sich Keramikfragmente der späten Eisenzeit: „Überraschend erscheinen im Fundbestand einmal mehr Fragmente der sogenannten Fritzens-Sanzeno-Keramik. In die frühe Latènezeit, etwa 450-250 v. Chr., sind sogenannte Fritzener Schalen mit eingerissener Tannenreiszier (Taf. 3, 1.8) oder mit umlaufenden Rillen und horizontalen Dreieckstempeln (Taf. 3, 2) zu datieren….“
Weiters wird berichtet: „Besonders im südlichen Schnitt 2 wurden vermehrt römerzeitliche Keramik zu Tage gefördert. Ihr massiertes Auftreten (…) lässt die Nähe eines römerzeitichen Gebäudes vermuten“.
Quelle: A. Höck/W. Neubauer, Archäologische und geophysikalische Untersuchungen auf dem Krautfeld bei Oberhofen. In: Alexander Zanesco (Hrsg.), Hörtenberg 2. Archäologie und Geschichte im Raum Telfs. Nearchos Sonderheft 7, 2002, 34-56, Taf. 1-3.
2016: Grabungen am Areal des Recyclinghofes (ARDIS)
Kurz gefasst:
Römerzeitliche Mauerreste – allerlei Gruben – prähistorische Scherben
Die Grabungen erfolgten im Mai und Juni 2016 am Bauplatz des künftigen Recyclinghofes.
An baulichen Strukturen wurden Reste von zwei Grundmauern freigelegt. Sie stammen aus der Römerzeit, sind aus gerundeten Innsteinen hergestellt und zum Teil vermörtelt.
Vor allem kamen 44 Gruben verschiedenster Art ans Tageslicht, darunter viele Pfostengruben. Unter den größeren Gruben scheinen Vorratsgruben, Brandgruben und Werkgruben auf, eine wird als Ofengrube angesehen.
Vor allem aus den Grubenverfüllungen kamen zahlreiche Scherben zum Vorschein, die den Perioden von der Bronzezeit über die Eisenzeit bis zur Römerzeit zugeordnet werden.
Quelle:
ARDIS-Bericht „Prähistorisch-römerzeitliche Siedlungsstelle in der Flur Krautfeld“
Oberhofen 2016. Alle nicht näher bezeichneten Fotos mit freundlicher Genehmigung ARDIS GmbH, Innsbruck.
2021: Grabungen am Areal der Fa. cibex (ARDIS)
Kurz gefasst:
Kalkproduktion – Gruben geben Rätsel auf – Pfostenlöcher ohne Ende – schöne Kleinfunde
Die Grabungskampagne erfolgte von April bis Ende Juni 2021.
Die Grabung beförderte unter vielem anderen acht Objekte zu Tage, die alle mit der Herstellung von Kalk zu tun hatten, wobei ein Objekt sicher als Kalkbrennofen identifiziert wurde.
Wieder waren eine Unmenge von Pfostenlöchern dabei. Tatsächlich wurden 176 kleinere und größere Gruben freigelegt, die einmal für Pfostensetzungen genutzt wurden. Ein „Pfostenwald“, der sich im Laufe der Jahrhunderte ansammelte und seinen unauslöschlichen Fußabdruck im Untergrund hinterließ. Der Grabungsbericht erwähnt aber ausdrücklich, dass die kleinen Pfostenlöcher, die oft seicht und ohne Steinfüllung ausgeführt waren, zu nichttragenden Elementen wie Trennwände, Inneneinrichtungen oder Zäunen gehörten.
Nicht für allen Gruben (die blauen) ließ sich die Funktion feststellen, weil eindeutige Begleitfunde aus den Verfüllungen fehlen. Dass einige davon mit Feuer in Berührung kamen, ist aber wegen gesprengter Steine, der verziegelten Lehmanteile und beigemengter Holzkohle gewiss.
Objekt Nr. 15 ist für die Archäologen eine besonders schwer zu deutende grubenförmige Struktur (1,4 x 2m). Das Objekt hat einen komplexen, vielschichtigem Aufbau, überlagerte Steinstrukturen sowie unterschiedlichste Beifunde aus der Verfüllung: Eisenschlacke, eine Nadel einer Bronzefibel, Mörtelbrocken, Speiseabfälle in Form von Tierknochen und Fischreste (vielleicht die eines Hechtes).
Mauerzüge waren auf diesem Areal nicht dabei, aber einige schöne Kleinfunde.
Zusammenfassend wird das ausgegrabene Areal als Werkstattbereich eines römischen Gutshofes gedeutet.
Quelle:
ARDIS-Bericht „Prähistorisch-römerzeitliche Siedlungsstelle in der Flur Krautfeld“ Oberhofen 2016. Alle nicht näher bezeichneten Fotos mit freundlicher Genehmigung ARDIS GmbH, Innsbruck.
2023: Grabungen am Areal der Fa. Steffan (ARDIS)
Kurz gefasst:
Münzen der späten Kaiserzeit – bemerkenswerte Kleinfunde – Glasfragmente – wieder Kalkgruben – Mauerreste – Hüttenlehm
Die Grabungskampagne erfolgte von Ende April bis Ende Juni 2023.
Diesmal waren besonders viele Kleinfunde dabei, bemerkenswert die vielen römischen Münzen der Kaiserzeit, Pferdegeschirrteile, Glasfragmente und überraschend eine seltene Fibel mit Klapperblechen.
Wie beim Nachbarareal wurden etliche Gruben aufgedeckt, die mit der Herstellung von Kalk zu tun haben.
Mauerreste und Pfostengruben sind die Überbleibsel von Bauwerken. An mehreren Stellen fand sich Hüttenlehm mit den Abdrücken der Baumstämme. Hüttenlehm entsteht, wenn der Lehm mit dem die Blockbauten abgedichtet wurden, durch Brandeinwirkung verziegelt. Ein deutlicher Hinweis auf Wohn- Stall- oder Werkstattgebäude.
Resümee: Die aufgefundenen Strukturen und Kleinfunde bestätigen die römerzeitlichen Aktivitäten und weisen das Areal als einem nahen Gutshof zugehörig aus.
Quelle:
ARDIS-Bericht „Prähistorisch-römerzeitliche Siedlungsstelle in der Flur Krautfeld KG Oberhofen“, Juli 2023. Alle nicht näher bezeichneten Fotos mit freundlicher Genehmigung ARDIS GmbH, Innsbruck.